Am Sonntag gab es für ein paar Stunden auf Twitter Aufregung und Empörung über einen Blogartikel, der inzwischen gelöscht wurde. Inhalt: Die Verfasserin hat einen SuB von 91 Rezensionsexemplaren. Die Empörung richtete sich übrigens einzig und allein gegen die hohe Anzahl, nicht dagegen, dass man für Rezensionsexemplare auch mal länger braucht oder gar explizit gegen diese Person.
Ich möchte hier niemanden an den Pranger stellen, zumal der Blogpost offline genommen und damit signalisiert wurde, dass sich die Person aus der Diskussion ausklammern möchte. Akzeptiert, und die Diskussion am Sonntag war nur der letzte Aufhänger, um endlich einen lange geplanten Artikel zu schreiben. Auf Twitter liest man oder hört anderswo von Unsicherheiten, was Rezensionsexemplare angeht. Hier nun ein Leitfaden, wie es laufen kann (aber nicht muss).
Rezensionsexemplare anfragen
1. Ich bin nur ein kleiner Blog, bekomme ich überhaupt Rezensionsexemplare?
Das kann man so pauschal nicht beantworten. Ich hatte einen etwas anderen Start, weil ich über Literaturschock und die dortigen Leserunden ab und an Rezensionsexemplare bekommen habe und auf diese später verweisen konnte. Dennoch hatte ich gerade so eben und eben 250 Zugriffe im Monat, als ich eins meiner ersten Rezensionsexemplare anfragte – und bekam. Meiner Erfahrung können die Verlagsvertreter nicht mehr als „Nein“ sagen, und das ist manchmal vielleicht traurig, aber kein Weltuntergang. Eine Absage ist nicht persönlich gemeint.
In diesem Sinne: Trau dich!
2. Wie frage ich Rezensionsexemplare an?
Das ist von Verlag zu Verlag unterschiedlich.
Als erstes sollte man auf der Verlagshomepage unter Presse gucken, oft gibt es dort einen Unterpunkt für Blogger. Dort ist der zuständige Kontakt. Wenn es keinen eigenen Punkt für Blogger gibt, dann schreibe die Presseverantwortlichen an, unter Presse fallen auch die Blogger.
Manche Verlage haben auch extra Portale, wie die Gruppe Randomhouse. Die hat das Bloggerportal, bei dem du dich kostenlos anmelden kannst.
Wichtig bei jeder Kontaktaufnahme ist immer Höflichkeit. Auf Rechtschreibung wird immer noch großen Wert gelegt, was aber Blogger*innen mit Leserechtschreibschwäche, Legasthenie oder allgemein einer schlechten Rechtschreibung nicht abhalten sollte. Lass deine Email im Zweifelsfall einfach einmal durch eine Rechtschreibprüfung laufen (z.B. Word, Outlook macht das automatisch…).
EDIT: Ich wurde von Ellie von Readingrats auf etwas sehr wichtiges aufmerksam gemacht: Stelle dich und deinen Blog beim Erstkontakt mit einem Verlag kurz vor, ggf. mit MediaKit, falls du sowas hast. Viele Verlage fragen Zugriffs- und Followerzahlen schon beim Kontaktformular ab.
3. Was mache ich, wenn ich keins bekomme?
Kurz traurig sein, abhaken, in den nächsten Buchladen rennen. Oder zum Geburtstag wünschen.
Ich wiederhole es gerne: Eine Absage ist nichts Persönliches!
Luxusproblem Rezensionsexemplar
4. Wieviele Rezensionsexemplare darf ich anfragen?

Anfragen kannst du ein komplettes Verlagsprogramm, ob du alle Bücher bekommst ist eine andere Sache.
Blöde Sprüche beiseite. Überlege dir folgende Dinge:
4a. Musst du das Buch wirklich haben? Musst du es wirklich als Rezensionsexemplar haben?
Die Möglichkeit, Bücher kostenlos zur Verfügung gestellt zu bekommen, ist verlockend und verleitet dazu, unfassbar viele Bücher anzufragen. Manche Blogger*innen fragen fünf Bücher an, gehen aber davon aus, nur zwei zu bekommen. Was machst du, wenn du alle bekommst? Gehe erstmal davon aus, dass du die Bücher bekommst. Eine Zeit ohne Rezensionsexemplare sagt nichts über dich als Blogger*in aus, im Gegenteil. Viele finden einen Blog, der ausschließlich aus Rezensionsexemplaren besteht, seltsam und im schlimmsten Fall unsympathisch.
4b. Wieviel Zeit hast du?
Überlege dir, wie deine kommenden Wochen aussehen werden und bedenke, dass lesen und Rezensionen schreiben zeitaufwendig sind. Lesen hast du sowieso schon eingeplant? Klar, machst du ja gerne. Aber wie lange brauchst du für eine Rezension? Machst du Fotos? Auf wievielen Portalen streust du deine Rezension? Hast du wichtige Prüfungen, Meisterschaften, etc.?
Es gibt kein Pauschalurteil. Manche Blogger*innen schaffen zwei Rezensionsexemplare im Monat, manche zwei im Halbjahr, und viele verzichten ganz, weil sie sich nicht binden wollen. Alles ist okay. Wichtig ist, dass du die Zeit hast, dich dem Buch und der Rezension zu widmen.
4c. Tip: Terminplaner, oder: wie nahe liegen die Rezensionsexemplare aneinander?
Das mag spießig und nach Redaktionsplan klingen, hilft aber ungemein, den Überblick nicht zu verlieren: Notiere dir die Erscheinungstermine der Bücher, die du anfragst, gerade dann, wenn du mehrere haben möchtest. Manchmal machen hier zwei Wochen den Unterschied. Schreibe dir außerdem auf, wann du welches Buch vom Verlag bekommen hast, schlage sechs Wochen drauf (bzw. sechs Wochen nach ET) und zack, da hast du deine Deadline.
Insgesamt sind Rezensionsexemplare, Leserunden, Blogtouren usw. unglaublich verlockend. Ich plaudere mal aus dem Nähkästchen: Ich habe mich letzten Sommer für einige Wochen übernommen. Ich habe über Literaturschock an zwei Leserunden teilgenommen, dort zusätzlich Rezensionsexemplare bekommen und einige Bücher von Verlagen kamen früher an. Die Leserunden waren Gott sei Dank hintereinander, aber sie sind einfach zeitaufwendiger, da man im permanenten Austausch mit den anderen Teilnehmern steht. Im Endeffekt habe ich zwar alles geschafft, aber das Gefühl, mich übernommen und die Verlage „verarscht“ zu haben, war nicht so geil. Daraus habe ich gelernt. Ich fordere grundsätzlich nur Bücher an,
-> die ich wirklich lesen will
-> für die ich die Zeit habe
-> oder die Teil eines Blogspecials werden sollen.

Rezensionsexemplar bekommen, und jetzt?
5. Wie lange habe ich Zeit, ein Rezensionsexemplar zu lesen und zu Rezensieren?
Manche Verlage schreiben es direkt auf ihrer Website, in der Regel geht man von sechs Wochen aus, manchmal acht. Da die Verlage nur ein kleines Zeitfenster haben, um die Bücher zu promoten, sollte die Rezension zeitnah nach Erscheinungstermin online gehen. Das sollte man im Hinterkopf behalten, wenn ein Zeitraum nirgends explizit erwähnt wird.
6. Sperrfristen beachten!
Manchmal bekommt man ein Buch nicht nur als Rezensionsexemplar, sondern als Vorabexemplar, also vor Erscheinungsdatum. Dann sind im Buch Stempel o.ä. drin, die besagen vor welchem Datum die Rezensionen auf keinen Fall veröffentlicht werden dürfen. Daran solltest du dich halten.

7. Ich brauche länger als gedacht, was mache ich?
Die Gründe, warum du mal länger für ein Rezensionsexemplar brauchst, sind vielfältig. Krankheit, Uni/Schulstress, im Familien- oder Freundeskreis passiert was, auf einmal ist die Lesestimmung weg (a.k.a. Leseflaute), du kommst einfach nicht ins Buch…
Dass sowas passieren kann wissen auch die Verlage. Schreibe deinem Kontakt und erklärt es kurz. Wenn du abschätzen kannst, wie viel länger du brauchst, teile auch das mit. Bisher habe ich nie negative Rückmeldungen bekommen, aber immer, dass sich über diese kurze Nachricht gefreut wurde.
8. Ich finde das Buch schrecklich und will es abbrechen, geht das?
Auch das ist den Verlagen nicht fremd. Das Buch klingt vom Klappentext her super, du magst die Autorin sowieso, alles war sehr ansprechend. Und dann findest man das Buch, gelinde gesagt, einfach scheiße. Warum auch immer.
Kannst du das Buch wirklich nicht zu Ende lesen? Wenn doch, beiß dich durch.
Wenn du das Buch partout nicht beenden kannst, dann sprich mit deinem Verlagskontakt darüber. Erkläre, wenn es geht, woran es liegt (Stil, Story, Charaktere…). Zeitmangel sollte kein Grund sein, dann gilt eher Punkt 7.
Ich habe bisher zwei Rezensionsexemplare abgebrochen, habe es in einer Email ausführlich erklärt, und gut war. Es ist natürlich schade, aber ich habe bisher auch keine negativen Folgen zu spüren bekommen.
9. Wie schreibe ich überhaupt eine Rezension?
Wie man eine Rezension schreibt bzw. schreiben kann habe ich vor ein paar Wochen bereits beschrieben. Man kann sich aber auch an den Lieblingsbloggern orientieren oder sich was spaßiges für die Rezension ausdenken. Für das Märchenspecial im Dezember habe ich Märchenbücher rezensiert und tlw. auch aus denen vorgelesen.
10. Darf ich auch eine schlechte Rezension schreiben, wenn ich das Buch nicht mochte?
Du darfst das nicht nur, du musst quasi. Verlage schicken uns Blogger*innen Leseexemplare zu, damit Meinungen dazu veröffentlicht werden. Wenn dir das Buch nicht zusagte, dann schreib das auch so. Wenn es sogar ein völliger Griff ins Klo war, schreib auch das! Anna hat einen Artikel geschrieben, ob man einen Rant oder Verriss schreiben darf (und die Antwort lautet eindeutig JA!).
11. Beleglink schicken
Zu guter Letzt: Beleglink(s) deiner Rezension an deinen Verlagskontakt schicken. Ich bedanke mich in den Mails auch immer für das Rezensionsexemplar und ggf. die nette Zusammenarbeit. Das finde ich persönlicher als einen Standardsatz am Ende der Rezension „Danke Verlag XY für das Rezensionsexemplar“. Kann man machen, wenn man sich so sicherer oder authentischer fühlt, muss man aber wirklich nicht.
Du siehst, der Zirkus mit den Rezensionsexemplaren ist kein Hexenwerk. Viel Glück.
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