[Rezension] Kristin Hannah – The Nightingale

[Rezension] Kristin Hannah – The Nightingale

wp-1476258645573.jpgTitel: The Nightingale
Autorin: Kristin Hannah
Verlag: Macmillan US
ISBN: 978-1-250-10468-7
Wertung: 5/5

Frankreich, 1940. Das kleine Städchen Carriveau liegt vom Krieg noch unberührt und idyllisch in einem nicht näher benannten Teil Frankreichs und ist beinahe kitschig schön. Hier in der Nähe wohnt Vianne Rossigniol mit ihrem Mann Antionne und ihrer Tochter Sophie in einem alten Bauernhaus, das seit Jahrhunderten inFamilienbesitz ist. Schließlich holt der Krieg Vianne und ihre kleine Familie doch ein, Antionne wird eingezogen, die Deutschen besetzen Frankreich und auch in dem ruhigen Örtchen wird es zunehmend ungemütlicher. In dieser Zeit zieht Viannes jüngere Schwester Isabelle zu ihr, die von ihrem Vater aus PAris weggeschickt wurde. Während Vianne versucht, ihren Kopf untern zu halten um auch ihre Tochter zu schützen, zumal ein deutscher Offizier bei ihr einquartiert ist, muss sie Isabelle immer wieder ermahnen, ihre Rebellion nicht offen zu tragen. Konflikte zwischen den beiden Schwestern sind vorprogrammiert, denn jede sucht in dieser Situation ihren eigenen Weg, mit der Besatzung umzugehen, doch versteht den Weg der anderen nicht. Schließlich geht Isabellle wieder nach Paris, doch erst nach dem Krieg merken die beiden Schwestern, dasss sie sich gar nicht so unähnlich sind.

Der Stil, in dem Hannah schreibt, ist so bildhaft, dass er beinahe kitschig wirken könnte, stellte er nicht mit den malerischen Beschreibungen einen deutlichen Kontrast zu den Schrecken, Verunsicherungen und Ängsten der Charaktere unter der Besatzung dar. Schon auf den ersten Seiten zeugt sich dieser Bruch zwischen Szenerie und Situation und transportiert so die Emotionalität, mit der der Kriegsalltag bestritten wurde. Man kann mit den Charakteren dadurch mitfühlen, ihre Wut, ihre Verzweiflung aber auch ihre Angst wird dadurch umso greifbarer.
Im Zentrum der Geschichte stehen die beiden ungleichen Schwestern Vianne und Isabelle. Während Vianne glücklich verheiratet und Mutter ist, und ein beschauliches Leben auf dem Land führt, fliegt Isabelle von einem Internat nach dem nächsten. Ihre ungestüme, rebellische Ader ist in diesen Zeiten gefährlich, doch ihre Jugend lässt die Konsequenzen entweder nicht erkennen oder nur mit den Achseln zucken. Obwohl beide Charaktere unterschiedliche Wege einschlagen, mit der Besatzung der Deutschen und all ihren Konsequenzen für das Alltagsleben umzugehen, kann man die Entscheidungen beider nachvollziehen, manchmal aber auch den Kopf schütteln. Spannend sind beide Wege, denn beide Schwestern finden Wege, nicht mit den Deutschen konform zu gehen.

wp-1476258638336.jpgDas Buch ist ein wahrer Rausch zu lesen, nicht nur, was die Beschreibungen und die Sprache angeht, sondern auch die Emotionen, die man fast schon gezwungen ist zu fühlen. Hannah beschreibt in ihrem Buch den alltäglichen Schrecken während des Zweiten Weltkrieges, der sich erst langsam und kaum bemerkbar in das tägliche Leben schlich und es schließlich bestimmte, und auch, wie Freundschaft und Mitgefühl in dieser Zeit immer schwerer gegen die Angst ankamen.
Das Buch ist eines der Jahreshighlights 2016!

ACHTUNG: Ab hier kommen Spoiler vor!!

Obwohl ich das Buch unglaublich genossen habe und es mir Lust auf gehaltvollere Literatur gemacht hat, gibt es dennoch ein paaar Kritikpunkte, die ich an- bzw. Besprechen möchte.
wp-1476258629921.jpgWährend die Geschichte voranschritt, überkam mich zeitweise das Gefühl, dass es etwas zuviel ist für die Familie Rossigniol. Vater und jüngere Tochter bei der Resistance, sie sogar eine der meistgesuchtesten Kämpferinnen, die ältere Tochter versteckt jüdische Kinder und stellt falsche Papiere her. Beide Parteien – Resistance und Kinderrettung – wussten nichts voneinander. In einer Rezension kritisierte Violet Wells auf Goodreads, dass Hannah versuchte, den gesamten Schrecken des Zweiten Weltkrieges in diese kleine Stadt im Nirgendwo und in diese kleine Familie zu packen. Bis zu einem gewissen Punkt ist die Kritik nachvollziehbar, auf der anderen Seite waren gerade die SChilderungen von den Vorkommniessen in Carriveau nicht überladen oder übertrieben. Jeder, der ein Geschichtsbuch mit Zeitzeugenberichte gelesen hat, weiß, dass sowas durchaus Gang und Gäbe war.

Ein weiterer, nicht nachvollziehbarer Kritikpunkt ist der Vorwurf, es sei ein Liebesroman. Vianne leidet, als Antoine eingezogen wird, und zwischendurch wird immer wieder deutlich, dass sie ihren Mann über alles liebt. Auch Isabelle hat jemanden, den sie liebt, und ab und an werden die komplizierten Verhältnisse angesprochen, in denen die beiden ihre Liebe leben müssen. Allerdings sind diese Szenen schon fast Randnotizen und stehen in keinster Weise im alleinigen Fokus der Geschichte, als dass sie die Bezeichnung ¨Liebesroman¨ rechtfertigen würden.

Zum Schluss seien noch zwei Logiklöcher angesprochen, die aber nicht weiter ins Gewicht fallen. Zu klären wäre, wie Isabelles falsche Papiere das KZ überstanden haben, denn sie hatte keine persönlichen Dinge mehr. Zum anderen kommt Rachel, die beste Freundin Viannes, erstaunlich schnell, nämlich innerhalb weniger Stunden, an falsche Papiere für sich und ihre Kinder. Wie das auf die Schnelle ging wurde leider nicht erklärt.
Insgesamt kann keiner der Kritikpunkte etwas an der Bewertung ändern, denn was ich vor der Spoilerwarnung schrieb gilt auch nach der Spoilerwarnung: Das Buch ist eines der Jahreshighlights 2016!

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0 thoughts on “[Rezension] Kristin Hannah – The Nightingale

  1. Hey Mareike,

    ich kann dir zu diesem Buch in allen Punkten einfach nur zustimmen. Eine wirklich tolle Rezension (inkl. fabelhaftem Foto), du kannst dich super ausdrücken und es macht Spaß, deine Texte zu lesen.
    Ich hab das Buch an keiner Stelle als Liebesroman empfunden, wie kommt man denn auf sowas? Ich weiß nicht, ob du “Zwischen uns das Meer” von Kristin Hannah schon gelesen hast. Falls nicht, ich denke, es könnte dir auch gefallen 🙂

    Ich wünsche dir ein schönes Wochenende.
    Alles Liebe,

    Janine

    1. Ahoi Janine!

      Ich denke, es liegt am Untertitel der deutschen Ausgabe: “Die eine kämpft für die Freiheit. Die andere für die Liebe.” Ich finde ihn sehr irreführend, da beide auf ihre Weise kämpfen und es bei beiden auch irgendwo um die eine Liebe geht…

      Zwischen uns das Meer habe ich mir mal angesehen, aber zumindest die deutsche Zusammenfassung konnte mich bisher nicht überzeugen. Ich werde in der Bücherei jetzt aber mal reinlesen, wenn du meinst, dass es passen könnte. Danke für den Hinweis.

      Cheerio und ein wundervolles Wochenende,
      Mareike

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