[TW: Sexismus, Rassismus]
Gestern, am 08.03., war Weltfrauentag. Weltweit gingen Frauen auf die Straße um für mehr Rechte, Gleichberechtigung und gegen Sexismus und Unterdrückung zu protestieren. Die Social Media Kanäle waren voll von Bildern, Zitaten, Aussagen zum Empowerment von Frauen. Natürlich gab es auch die üblichen Trolle: Männer die Frauen erklärten, dass es jetzt mal genug sei mit Frauenrechten; Frauen die Frauen erklärten, dass sie sich nie diskriminiert gefühlt hätten und dass die Gleichberechtigung doch längst erreicht sei; Menschen die diejenigen Frauen (und Männer) beschimpften und diskreditierten, die sich lautstark in der Virtuellen Welt zu Wort meldeten.
Und dann gab es da Pro7 und Germany’s Next Topmodel.
Seit der ersten Staffel 2006 ruft diese Sendung immer wieder Diskussionen hervor. „Harmlose Unterhaltung“ sagen die einen, „Förderung von Essstörungen!“ die anderen. „Ehrliche Darstellung des Modelbusiness“ sagen die Fans und Verfechter, „Sexistische, entwürdigende Kackscheiße“ die Kritiker*innen. Dass diese Castingshow keine Preise für Feminismus bekommen wird ist klar, und auch wenn seit letztem Jahr Transfrauen gecastet werden kann das nicht über den lookistischen Ansatz der Sendung hinwegtäuschen. Trotzdem versammelt sie Woche für Woche Zuschauer*innen vor dem Fernseher, manche als Fans, manche als Kritiker*innen, und manche die meinen, man könne die Sendung auch „ironisch“ gucken (kann mir jemand erklären wie das geht? Eine Sendung ironisch gucken?). Auch ich gehöre zu denjenigen, die Donnerstags einschalten (auch wenn ich nicht traurig bin, wenn ich es mal ne Woche verpasse), allerdings weniger aus ironischen Gründen oder weil ich unbedingt mitreden will, sondern weil meine 15jährige Schwester ebenfalls vor dem Fernseher hockt und ich soweit es geht aufpassen will, dass sie sich das frauenverachtende Körperbild nicht zum Vorbild nimmt. Und ja, auch ich tappe in die Lästerfalle, weil mir manche Kandidatinnen auf den Keks gehen. Ich bin keine Heilige. Trotzdem werde ich, solange meine Schwester das schaut, mitgucken, um soweit ich kann die kritische Seite zu sein.
2018 mit der extra Portion Sexismus
Persönlich habe ich das Gefühl, dass die diesjährige Staffel noch sexistischer ist als die Sendung eh schon von je her war. Das erste Mal richtig aufgefallen ist es mir während der zweiten Folge, als die jungen Frauen ein Nacktshooting absolvieren mussten. Gerda, eine Kandidatin mit vergrößertem Busen und die allgemein als „mega sexy“, „bisschen zu sexy“, und „mach mal weniger sexy“ gilt, wird seitdem noch mehr als die anderen zum Sexualobjekt degradiert. Sie räkelte sich in der Brandung, nur mit einem hautfarbenem Slip bekleidet, die Brüste mit den Armen verdeckt, und wurde in Zeitlupe gefilmt, während die Postproduction sich auch nicht zu schade war, noch Candy Shop von 50 Cent einzuspielen. In Folge 4, als das Umstyling stattfand, wurden die Setcards geschossen. Die Frauen trugen knappe Lingerie mit Netzstrümpfen, manchen war das zu freizügig. Cut zu Gerda im knappen Bademantel, natürlich wieder mit Zeitlupe. Erst den Busenansatz abfilmen, dann die Oberschenkel, den Rest verdeckte besagter Mantel.
Gestern nun, am Weltfrauentag, den auch Pro7 natürlich bewarb, wurde GNTM nicht durch eine Sondersendung zum Thema Feminismus ersetzt, sondern setzte die Kandidatinnen in knappen, fliegenden Kleidchen auf ein Rodeoeinhorn. Sie sollten gefälligst Spaß haben und schreien und kreischen, damit man die Freude sehen kann.
Kanditatin Sally machte sich etwas Luft, dass die Aufgabe doch recht schwierig gewesen sei. Antwort aus der Twittergemeinde:
Also Sally. Wenn man kacke ist, ist man kacke. Hat nichts damit zu tun, an welcher Stelle du bist. Wahrscheinlch hast du einfach keine Erfahrung im Reiten 😉 #GNTM
— That one Weirdo⁷ (@KeepLivingDead) March 8, 2018
Ach, das bezieht sich nur auf das Reiten eines Pferdes? Well…
Mit dem Reiten dürfte Zoe ja keine Probleme haben. U know what I mean. #gntm
— Fpunkt (@LMAquadrat) March 8, 2018
Kandidatin Klaudia meinte, sie würde das erste Mal auf einem Rodeopferd sitzen. Auch dafür ist sich Twitter nicht zu schade:
https://twitter.com/Robin77G/status/971835295288176640?s=19
Nicht nur der Tweet über Zoe zeigt, dass die Kandidatinnen schlicht als Sexualobjekte gesehen werden, die auch gerne mal „ordentlich gefickt“ gehören, damit sie ruhig sind (nennt man in anderen Kontexten auch Vergewaltigung, aber das nur am Rande) zeigen die folgenden Tweets:
Kann jetzt nicht einfach Daniel kommen? Der würde die alle mal ordentlich durchficken und dann hören die vielleicht auch auf so dämlich zu schreien #gntm
— GenaumeinRTL (@trashtvqueen) March 8, 2018
Pornofantasien:
https://twitter.com/Blueskyhal/status/971861627581665281
https://twitter.com/stephanscheuss/status/971835510158233601
Oder auch Verurteilungen für ein aktives Sexualleben:
https://twitter.com/sophiriusblack/status/971841380707438592?s=19
Achja, selbstständig oder überhaupt denken können sie allesamt nicht…
#GNTM ist Hirn aus und Meedchen zuschauen, die es nie an hatten 😂
— That one Weirdo⁷ (@KeepLivingDead) March 8, 2018
Rassismus wird mühelos bedient
Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Rassismus, der durch diese Sendung reproduziert wird. Kandidatin Bruna wurde mehrfach aufgefordert, ihr “Brasilianisches Blut” zu zeigen. Weil ja alle Brasilianer*innen von Natur aus feurig, fröhlich, temperamentvoll sind [sic!]. Zudem wird sich über das Deutsch bzw. die Aussprachen von Catwalkcoach Papis Loveday auf Twitter lulstig gemacht:
#gntm da klamotta bei da pettapotte machda schleckte Lauferin!
— Neun (@Jokerfk2) March 8, 2018
Sendung und Twitterfangemeinde zusammen ergeben einen widerlichen Sumpf aus Sexismus, Demütigung von Frauen, Rassimus und weiterer antifeministischer Aussagen, getätigt von Männern und Frauen. Solange eine junge Frau wie Zoe für ihr Sexualleben immer wieder beleidigt, eine selbstbewusste Frau wie Gerda auf ihre “sexy Ausstrahlung” und ihre Brüste reduziert, und den Teilnehmerinnen insgesamt die Fähigkeit des (eigenständigen) Denkens abgesprochen wird, werden wir nicht nur den Weltfrauentag brauchen, sondern ganz allgemein Feminismus, der sich gegen solche Fernsehformate einsetzt und eine Fangemeinde darauf hinweist, dass sie dieses Bild von Frauen unterstützt. Ja, auch wenn man es “ironisch” guckt.
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