[Rezension] Ian McGuire – Nordwasser

[Rezension] Ian McGuire – Nordwasser

Titel: Nordwasser (affiliate Link) | Autor: Ian McGuire | Übersetzer: Joachim Körber | Verlag: mare
Danke für das Rezensionsexemplar!

Worum geht’s?

Die Volunteer, ein erprobtes Walfangschiff, nimmt Kurs nach Norden. Der Auftrag: Robben und Wale jagen und damit ein kleines Vermögen nach Hause bringen.
Mit an Bord sind auch der Arzt Patrick Sumner, der vor seiner Vergangenheit in Indien flieht, und der Harpunierer Henry Drax, der von ganz eigenen Dämonen besessen ist. Mitten auf dem unerbittlichen Eismeer wird erst ein Schiffsjunge brutal vergewaltigt, und nachdem Sumner mit seinen Untersuchungen nicht locker lässt, findet man die Leiche des Jungen. Der Mörder ist zwar bald gefunden, aber der Kapitän hat seine eigenen Pläne, und plötzlich erleidet die Mannschaft Schiffbruch. Mitten im Packeis. Weit entfernt von jeglicher Zivilisation. Und der Mörder ist immer noch unter ihnen…

Wie war’s?

Was ich erwartet habe, als ich das Buch anfing: eine Art Roman mit Krimi, der ausschließlich auf dem Schiff spielt
Was ich bekommen habe: Einen Roman, der so viel in sich trägt und an deutlich mehr Orten spielt als man glaubt.

Wer einen romantischen Walfangroman sucht, der neben dem Leben an Deck eines Schiffes auch über die Schönheit der Arktis berichtet, ist bei Nordwasser definitiv falsch. Nordwasser ist nicht romantisch, sondern beschreibt knüppelhart das Leben an Deck, wo der Stärkere grundsätzlich recht hat. Es beschreibt das Fangen und Flensen der Wale blutig und detailgetreu, ebenso die emotionslose Robbenjagd und die Jagd nach einem Eisbären. Das ist nichts für zarte Gemüter. Der Mord an Deck ist fast nur Nebenhandlung für das Große. Der Roman schildert die Fahrt in den Norden so, wie sie europäische Seeleute aus diesem Zeitalter gesehen und erlebt haben dürften. Alles harte Kerle, alles gehört per se ihnen, Menschen, die nicht aus Europa kommen bzw. keine Christen sind, sind potentiell unzivilisiert und Barbaren und sowieso nichts wert. Nordwasser berichtet vom Walfang, wie er vermutlich war: blutig, dreckig, immer im Kampf mit dem Meer und der Unerbittlichkeit des Eiswassers. Für Menschlichkeit, scheint es, gibt es kaum Platz, jedenfalls nicht für mehr als dass das Zusammenleben geregelt bleibt. Nach dem Schiffbruch zeigt sich das Ringen um das, was Menschlich ist, aber auch um Hoffnung und das nackte Überleben, noch viel deutlicher.

Der Schreibstil ist ist zwar detailiert, aber nicht ausufernd oder romantisierend, und auch die Handlungsstränge und Hintergrundgeschichten bleiben immer dicht an der Haupthandlung. Den Faden zu verlieren ist also unmöglich. Es geht immer um Sumner und seine Gefechte. Mit seiner Vergangenheit, mit Mannschaftsmitgliedern, mit dem Jagen, mit der Natur.

Meiner Meinung nach verlieren sich Handlung und Dichte des Romans allerdings kurz nach dem Schiffbruch, und es wird zäh. Während ich Nordwasser die ersten 200-250 Seiten kaum aus der Hand legen konnte, überflog ich die letzten Seiten irgendwann. Dieser Roman ist nichts für schwache Mägen, jedenfalls nicht, solange die Volunteer noch unterwegs ist.

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