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Autorin: Catherine Castro | Zeichner: Quentin Zuttion | Übersetzerin: Tanja Krämling | Verlag: Splitter
Danke für das Rezensionsexemplar
In der Literatur sind queere Menschen immer noch deutlich unterrepräsentiert. Vor allem nicht cis Charaktere findet man im Mainstream oder den populären Genres eher selten. Ich würde gerne sagen, dass ich eine Veränderung zum Positiven sehe, dass mir mehr queere Charaktere über den Weg laufen. Ich befürchte aber, dies ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass ich explizit nach solcher Literatur suche.
Umso mehr freute ich mich, als ich in der Verlagsvorschau von Splitter eine Graphic Novel zum Thema Transsexualität entdeckte: Nennt mich Nathan von Catherine Castro und Quentin Zuttion. In dieser auf einer wahren Geschichte beruhenden Graphic Novel begleiten die Leser*innen Nathan auf seinem Weg der Transition. Sie begegnen ihm, als er noch als lesbisches Mädchen wahrgenommen und mit seinem abgelegten Namen angesprochen wird. Sie erleben, wie er sich mühsam vor seiner Familie outet, wie diese und auch seine Freund*innen reagieren und auch, wie er sich in seiner nun nicht mehr verheimlichten Identität ein- und auslebt.
Die Autor*innen zeigen, dass der Weg einer Transition nicht mit Marshmallows gepflastert ist. Manche Freunde fühlen sich von Nathan bedroht, er würde in fremdem Revier wildern, und nennen ihn beim Deadname. Seine Eltern und sein Bruder, die unter’m Strich zu Nathan stehen und ihn verteidigen und begleiten, diskutieren immer wieder darüber, wie schwierig die Transition für sie als Angehörige ist. Der Bruder hat Angst, ausgelacht zu werden, die Eltern trauern um die verlorene Tochter (die sie nie hatten).
Es mag sich als Leser*in seltsam anfühlen, davon zu lesen, sollten solche Befürchtungen, wie denn nun die Gesellschaft von der Familie denken wird, doch eher nebensächlich sein. Tatsächlich sind es aber auch diese Bilder und Sequenzen, die das Bild rund machen. Viele trans Personen erleben das so in ihrem Umfeld. Freundschaften gehen zu Ende, Familienmitglieder wenden sich ab. Nennt mich Nathan nimmt diese möglichen Begleiterscheinungen einer Transition nicht aus und erreicht damit zweierlei:
Zum einen finden sich auch Angehörige, die vielleicht noch recht unsicher sind oder es mal waren, in dieser Graphic Novel wieder. Zum anderen liegt der Fokus von Nathans Transition nicht einzig auf Nathan und körperlichen Veränderungen, sondern zeigen sie, anders bzw. Deutlich mehr als in “Nenn mich Kai” (Sarah Barczyk, Egmont Verlag, 2016), auch in Nathans sozialem Gefüge.
Im Laufe der Geschichte findet nicht nur Nathan immer mehr zu sich selbst, auch seine Eltern wachsen in ihre Elternschaft von zwei Söhnen hinein, Nathan hat ein solides Netz aus Bruder und Freund*innen, und auch wenn seine Transition am Ende der Graphic Novel noch im vollen Gange ist, ist der Ausblick hoffnungsvoll. Für Nathan, aber auch für die Leser*innen.
Grafisch gleicht die Graphic Novel einem coloriertem Sketch Book. Die Zeichnungen und Episoden wirken somit “wie aus dem Leben gegriffen”, als passiere gerade etwas in Nathans Leben, und Quentin Zuttion zeichnet es direkt oder kurz danach. Die Zeichnungen haben eine eigene Lebendigkeit. Besonders eindrücklich sind die Doppelseiten, auf denen Nathans Gefühlswelt gezeigt wird. Mal verstörend, mal schön, aber immer eindringlich wirken diese Bilder am stärksten nach.
Einen negativen Punkt gibt es allerdings. Die Graphic Novel heißt Nennt mich Nathan, es ist völlig klar, wie er heißt. Trotzdem wird er im Klappentext mit seinem Deadname bezeichnet. Mir ist klar, dass es vor allem für Leser*innen, die (noch) nicht so viel mit dieser Thematik zu tun hatten, verständlicher ist. Dennoch finde ich es schade, dass hier auf den abgelegten Namen und das nicht korrekte Geschlecht zurückgegriffen wird.
Dennoch ist Nennt mich Nathan absolut lesenswert und eins der besten (und vielleicht auch wichtigsten) Bücher im Comic und Graphic Novel Bereich dieses Jahr.
“Die Sterne…Haben die Sterne ein Geschlecht?” – Nathan, Nennt mich Nathan